2000 . Kontrafaktur

2000 . Kontrafaktur

Und wieder auf ein Neues


Ein bereits ganz guter Hauptgedanke wird oftmals durch erfahrungsbedingte Erneuerung beim zweiten Mal tatsächlich noch besser. Um unter den im Laufe der Jahre gewachsenen höheren Ansprüchen die ersten wirklich brauchbaren Skizzen einer sinfonìa visìbile in re minore rigeneratione bruckner erstellen zu können, die posthum auch einem strengen Urteil eines Prof. Dr. Anton Bruckners standhalten können muss, suchte ich nach einem Musiker, der die Symphonie - wie einst Maestro Karajan - richtig ( ganz langsam... ) zu spielen imstande ist und zudem einzelne musiktheoretische Particell für die Bruckner-Dialoge anfertigen kann.


Man muss wissen, dass Richard Wagner mit seinen symphonischen "Musikdramen" Bruckner speziell bei der Komposition seiner Neunten Symphonie maßgeblich inspiriert hat. Es galt also, die von Bruckner angedachten opernhaften Musik- und Bildwirkungen in der NEUNTEN richtig zu deuten, exakt wie möglich aufeinander abzustimmen und so für meine audiovisionelle Symphoniedichtung eine adäquate Verknüpfung von musikalischer und szenischer Dramaturgie zu erreichen.

Zielvorgabe: Eine  Libretto-Partitur BRUCKNERS NEUNTER.


In diesem Kontext fiel mir auf, dass ganze Passagen der Symphonie in den Aufnahmen selbst bekannter Orchester und namhafter Dirigenten durchwegs  viel zu schnell gespielt (regelecht "verhudelt") wurden und dadurch überhaupt nicht den Vorgaben Bruckners entsprachen, der in die Partitur schrieb: "Bitte ganz, ganz langsam spielen!". Dadurch waren weder die Feinheiten einzelner Passagen, geschweige denn ein Zusammenhang zu visuellen Synonymen erkennbar. Daher wunderte es mich auch nicht sonderlich, dass bisher offenkundig noch niemand diese Ton-Bild-Verknüpfung in BRUCKNERS NEUNTER entdeckt hatte.
 
Mangels entsprechendem eigenen Orchesters habe ich nach Durchsicht verschiedenster Einspielungen der NEUNTEN die analoge Aufnahme der Bruckner Symphonie No.9 von Karajan und den Berliner Philharmoniker aus dem Jahre 1976 herangezogen und sie zunächst einmal im Tonstudio mit digitalen technischen Mitteln soweit "gedehnt", dass diese für eine Visualisierung wichtigen, aber bisher vernachlässigten musikalischen Einfälle (z.B. Obertöne) des Komponisten besser hervortraten. Zudem konnte ich jetzt viel deutlicher die  Dialoge (eine Instrumentengruppe ruft - eine andere Antwortet) hören und so besser synonymsymbolischen Szenen zuordnen.


Die digitale Filmtechnik machte es mir möglich auf jedes der 25 Einzelbildern einer Sekunde / 1/25 Sek. (48 Hz bei aufwendig produzierten Kinofilmen und bei 3-D-Kinos) kontrolliert zuzugreifen und dadurch hatte ich Bild und Ton absolut synchron bearbeitbar im Griff. Damit konnte ich jede Tempoänderung, jede musikalische Ausdrucksform wie Melodie, Harmonie und Rhythmus mit einer gemeinsamen Semiotik versehen. Dabei mußssman berücksichtigen, dass ein einzelnes Filmbild (Kader) erst im Kontext mit Auswahl und Aufbau des weiteren Frames seinen eigentlichen Sinn erfährt. Ebenso wie erst die Aneinanderreihung von drei Noten eine allgemein verständliche Melodie ergeben. So wird die narrative, also erzählerische Facette der Symphonie, die Melodie, oder der sog. Bruckner-Rhythmus (Verbindung von Duole und Triole) zu einer kontrollierbaren Zeitsignatur und messbaren Einheit für den späteren Filmschnitt. 

   

Durch diesen digitalen Kunstgriff und die dadurch völlig neu geschaffene Bild- und Musikdramaturgie konnte ich die Visualisierung BRUCKNERS NEUNTER so beginnen, dass das Werk annähernd zu jenem audiovisuellen Gesamtkunstwerk kontrafakturiert wird, wie Bruckner sich diese Bearbeitung wohl als logische (audiovisuelle) Weiterentwicklung der klassischen Symphonie vorstellte.


Dass ich zudem zeitgemäß uminstrumentierte und beispielsweise statt der Solo-Flöte eine E-Gitarre nahm, hätte ich ohnedies nur mit einem jetzt lebenden Bruckner besprechen können.   

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