2005 . Tonstudien

2005 . Tonstudien

Auditorischer Kontext


Nun wurde die Arbeit an BRUCKNERS NEUNTER wissenschaftlich, denn jetzt galt es, die in Mondsee erworbenen unschätzbaren musikalischen Erkenntnisse auszuwerten und audiovisuell auf meine Kontrafaktur zu übertragen.


Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß die individuelle Art und Weise, wie ein Ton letztlich für jemanden klingt, laut bekannten biomagnetischen und neurologischen Studien von gewissen Strukturen des Großhirns abhängt. Das heißt: Wer mehr Obertöne und damit eher lang ausgehaltene, tiefe Klänge hört, hat mehr graue Nervenzellsubstanz in seinem Hörzentrum der rechten Großhirnrinde (Heschlschen Querwindung). Wer hingegen stärker den Grundton hört oder kurze, scharfe Töne bevorzugt, weist diese Besonderheit in seiner  linken Gehirnhälfte auf.

Bei jedem natürlichen Ton wird aber neben dem Grundton, der die Tonhöhe bestimmt, unisono noch eine Vielzahl höherer Töne erzeugt. Diese Obertöne ergänzen das Frequenzspektrum eines Tons und geben ihm bekanntlich auch seine charakteristische Klangfarbe. Auf ein Konzert umgelegt hört man sie aber wirklich nur, wenn überhaupt, indem man im Idealfall direkt vor den jeweiligen Instrumenten sitzen würde - aber wie soll das gleichzeitig gehen?


Erschwerend kommt noch hinzu, daß jeder normale Mensch selbst entweder ein Grundtonhörer (sie fallen durch filigranere Tonkonstruktionswahrnehmung und bessere Verarbeitung von komplexen Rhythmen auf) - oder ein Obertonhörer ist (sie wiederum können lang ausgehaltene Klänge und Klangfarben intensiver wahrnehmen). Man nimmt daher - bei einem herkömmlichen Konzert - die jeweils andere Form eines Tones akustisch gar nicht "bewusst" wahr. Diese jeweils anderen Töne müssten dem Zuhörer also - so hatte es Bruckner in der Neunten Symphonie vorgesehen*2 - mit anderen, akustiktechnischen und beispielsweise visuellen Mitteln "unbewusst" zugespielt werden.


Genau diese Art von Bruckner akribisch intonierten Zusatzinformationen gilt es bei BRUCKNERS NEUNTER im Falle einer optischen Umsetzung hervorzuheben, denn nur dann befreit sich diese Musik von der durch obgenannte Konzentration auf einen tonvermischten Klangkörper und wird so erst zur reinen und klaren BRUCKNERS NEUNTER sinfonìa visìbile in re minore rigeneratione bruckner.

Leute, erst durch diese neue Art Musik zu hören und zu sehen kristallisiert sich auch jene audiovisuelle (Schöpfungs-)Geschichte heraus, die zu bebildern dem Komponisten, mangels Möglichkeiten und Angesicht seines Todes, leider nicht mehr genügend Zeit geblieben ist!
 
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2 Bruckner kannte als Musikpädagoge und Konservatorium Professor selbstverständlich Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz († 08.09.1894) und dessen Arbeiten über den sog. Auditorischen Kortex (Strukturelle, funktionelle und perzeptive Unterschiede im Hörkortex von Musikern und Nichtmusikern).

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