1985 . Idee

1985 . Idee

Eine neue Form der Darbietung Klassischer Musik

Vorweg: Ich (Walter Wilhelm Legenstein) bin Mitten im letzten Jahrhundert in der wunderschönen Mozartstadt Salzburg geboren und verbrachte ehrlich gesagt nur rein zufällig (der Liebe wegen) insgesamt fast zwei Jahrzehnte im oberösterreichischen Ansfelden - dem Geburtsort eines gewissen Anton Bruckners. Ich gebe ganz unumwunden zu, dass mir bis dahin nicht nur ortsbedingt Mozarts Musik viel näher war, als die Symphonien eines Beethovens, Brahms oder gar Bruckners.

   
Erst als ich mich selbst als Künstlerischer Direktor des örtlichen Stadtfernsehens beruflich im Umfeld Bruckners Zeit als einfacher Dorfschullehrer und Organist in und um Linz an der Donau bewegte, wurde ich auf ihn aufmerksam.


Für die Linzer Rundschau hatte ich bis dahin mit Musikkritiken über regionale Veranstaltungen mit Pink Floyd, Procol Harum, Santana und vielen anderen populären Musikern berichtet. Aber nachdem ich Bruckners romantische 8. Sinfonie in c-Moll (WAB 108) im neu gebauten Linzer Brucknerhaus hörte, beschloss ich derart angetan einen journalistisch anspruchsvolleren Musikbeitrag über sein Nachwirken in der heutigen Bevölkerung für den ORF zu drehen. Dabei versuchte ich als Salzburger, neben üblichen Recherchen, nicht von, sondern am Habitus der oberösterreichischen Nachfahren des Komponisten etwas von dessen angeblicher provinzieller (mostschädliger...) Eigenart als anfänglich schrulliger Stanzl Spieler bei Hochzeiten zu entdecken und mir durch gehobenere Fachexpertisen die wundersame Wandlung zum begnadeten Komponisten seiner weltweit berühmten Symphonischen Musik erklären zu lassen.


Als Filmemacher war ich nach eingehendem Durchhören seiner symphonischen Musik ganz schnell von der NEUNTEN Bruckners fasziniert. Sie war für mich überraschend anders, nicht wie sonst klassische Musikwerke üblicherweise klingen. Sie klang für mich sofort eher wie symphonische Filmmusik und hat mich daher fortan beschäftigt. Ich auch unbedingt verstehen, was für ein Mensch und Zeitgenosse dieser Anton Bruckner im späten 19. Jahrhundert tatsächlich war und was ihn zu dieser Musikform inspirierte, als es noch gar keine Filmmusik gab. Welche Umstände ihn zu so einer neuzeitlichen cineastische Erzählform inspirierte. Eine überaus spannende Frage und Grund genug, um sofort in mühevollster Kleinarbeit aus den meist sehr vagen Vorgaben später die darin verwobene sinfonìa visìbile herauszuarbeiten (wofür ich über 40 Jahre benötigte...).

   

Niemals war dieser Bruckner dieser provinzielle Musiker, den man in den Büchern so darstellt. Wohl eher ein damals nicht erkannter Hochbegabter, ein tief katholisch gläubiger begnadeter Kirchenmusiker und sicher schon von Kindesbeinen an ein musikalisches Jahrhundertgenie. Diese Frage trieb mich um und ich hatte dahingehend sehr interessante Gespräche mit einfachen und musikalisch gebildeten Menschen im benachbarten barocken Stift Sankt Florian, eines der größten und bekanntesten Klöster Österreichs, wo Bruckner als Sängerknabe seine Kindheit verbrachte und selbst dereinst von Mönchen und Vikaren in die Welt der Kirchenmusik eingeführt wurde.
   
Meine ersten Versuche einer ernsthaften Zusammenarbeit mit kompetenten Brucknerkreisen scheiterten meist, denn man hielt mein ehrgeiziges Vorhaben die Neunte Symphonie zu visualisieren schlichtweg für das unsinniges Unterfangen eines musikalisch vollkommen Unwissenden. Für diese Zeitgenossen eines Dirigenten wie Herbert von Karajan war und ist bis heute diese unglaublich tiefgründige NEUNTE BRUCKNERS einfach dessen Unvollendete, nichts weiter. Von einer darin verborgenen visuellen Botschaft wollten sie einfach nichts wissen. Diese selbsternannten Hüter des heiligen Bruckner-Grals nahmen mein Vorhaben also überhaupt nicht ernst, daher konnte ich anfänglich von ihnen auch keine aktive Unterstützung erwarten, aber sie ließen mich wenigstens in Ruhe weiter in den Archiven und Bibliotheken recherchieren.


Meinen guten Kontakten als regionaler, kulturell schaffender Fernsehmacher verdankte ich so manchen Zugang zu vergessenen und normalerweise für Normalsterbliche verschlossenen klösterlichen Geheimarchiven und öffnete mir zudem Türen zu unveröffentlichten Zeitzeugnissen Bruckners, sowie Arbeiten tiefschürfender und belesener Historiker, die mir ungemein geholfen haben, nach und nach unglaubliche Erkenntnisse über Bruckner und die Geschichte des schier mystischen Standortes seines Geburtsortes Ansfelden zutage zu bringen - was meinen anfänglich vagen Verdacht einer guten Story mehr und mehr bestätigten: BRUCKNERS NEUNTE ist weit mehr als nur eine herkömmliche Symphonie!
 

Allgemein bekannt und Fakt in der Musikwelt ist: Prof. Dr. Anton Bruckners Musik war inspiriert von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert und er gilt als einer der wesentliche Innovator der Harmonik des späten 19. Jahrhunderts.


Dieses nüchtern anmutende musikakademische Memory wäre für eine Verfilmung eine Bruckner Symphonie geradezu beleidigend langweilig! So beschloss ich im Jahre 1985, neben meiner Stadtfernsehberichte über den in diesem Jahr Im Alter von 97 Jahren verstorbenen Maler und Graphiker Marc Chagall, der Fertigstellung des in der Kegelgasse im 3. Wiener Bezirk vom Maler und Graphiker Friedensreich Hundertwasser entworfenen Wohnhaus , dem Beginn der der ZDF-Ausstrahlung der Krankenhausserie "Schwarzwaldklinik" oder den in den Kinos der Bundesrepublik anlaufenden Film "Männer" von Doris Dörrie und dem ersten Turniersieg in Wimbledon des blutjungen Boris Becker - mich als Filmemacher intensiver mit der geradezu cineastischen Symphonievorgabe BRUCKNERS NEUNTER zu befassen.


Nach ersten Studien BRUCKNERS NEUNTER und deren Entstehung hatte ich ein konkretes Ziel: In elf Jahren, zum 100.Todestag (11. Oktober 1996) des oberösterreichischen Komponisten, wollte ich in seinem Geburtsort Ansfelden bei Linz an der Donau / Austria die von ihm selbst bereits vage vorgegebene audiovisuelle Umsetzung seiner NEUNTEN SYMPHONIE in einer bisher so noch nicht gekannten Verschmelzung von Orchester, Schauspiel und Cineastik zu verwirklichen! 

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